Fotografische Dokumentation pädagogischer Prozesse
Wolfgang Eschenhagen, Aktualisiert: 30.03.2025
Wie ist es möglich, mit Kindern im Kunstunterricht über die Soziale Plastik zu philosophieren?

Über das Foto Aktion 7000 Eichen:
Mit der documenta 7 verließ Joseph Beuys (1921 – 1986) die Räume des Museums Fridericianum und pflanzte im Kassler Stadtraum 7000 Bäume – jeder begleitet von einem ausgerichteten Basaltstein.
Zur dokumenta 7 (1982) verfolgte er mit umfangreichen künstlerischen, sozialen und ökologischen Interventionen das Ziel, den urbanen Lebensraum nachhaltig zu verändern und der zunehmenden Unwirklichkeit der Stadt Kassel entgegenzuwirken, die am 22. Oktober 1943 zu 80 Prozent zerstört wurde, darunter fast die gesamte Altstadt. Die Soziale Skulptur entstand erst durch das Zusammenwirken von Beuys, der Stadtverwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern.
Beuys‘ Projekt war zunächst vor allem deshalb umstritten, weil er auf dem Friedrichsplatz einen riesigen Berg von Basaltsteinen anhäufen ließ, an dessen Abnahme abzulesen war, wie die Pflanzaktion voranschritt. So entwarf er ein Kunstwerk im Kunstwerk, das die benötigte Zeit für die Realisierung seines Projektes unübersehbar widerspiegelte. Da viele die Idee der Sozialen Skulptur nicht kannten und nicht verstanden, empfanden sie den Steinhaufen als störend.

Die Idee der Sozialen Plastik: Wie könnte eine Soziale Skulptur ausschauen? Wonach könnte Soziale Kunst Ausschau halten? Aus was besteht sie und warum funktioniert sie immer wieder?
Mit 7000 Bäumen prägte Beuys auf beeindruckender Weise das visuelle Erscheinungsbild Kassels und verbesserte die ökologische Situation der Stadt. Er wertete das Lebensumfeld der Menschen auf, machte sichtbar, wie in einer Kooperation zwischen vielen Bürgerinnen und Bürgern und auch den städtischen Ämtern eine Soziale Plastik in Kassel hergestellt werden konnte. Am 16. März 1982 pflanzte Joseph Beuys den ersten Baum vor dem Fridericianum – der Auftakt zu einer partizipativen Kunstaktion, die Stadtbild und Bewusstsein veränderte. Die Vollendung seines Werkes konnte er nicht mehr erleben, so dass sein Sohn Wenzel den letzten Baum zu Beginn der documenta acht, am 12. Juni 1987 in die Erde setzte.
Das Bild „Aktion 7000 Eichen“ ist ein Schlüsselbild

Foto: Dieter Schwerdtle
Die Idee ist, die Vorstellungskraft und das Verständnis für Kunst im öffentlichen Raum zu wecken und über die Idee der Sozialen Plastik zu philosophieren.
Das Bild „Aktion 7000 Eichen“ eröffnet eine neue Perspektive auf Beuys’ Soziale Plastik und betont die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt. Im Unterricht nähern sich die Kinder diesem Thema durch das Medium Comic an, erarbeiten eigene Zugänge und diskutieren künstlerische sowie ökologische Fragestellungen.
Philosophieren mit Kindern über das Bild Aktion 7000 Eichen erweitert Beuys’ Vision der „sozialen Plastik“ um eine ökologische Dimension. Umwelt im weitesten Sinne: Lebensraum, Freiräume in der Satdt, Umwelt im Sinne „Miteinander in einer Welt leben“.
Kunst ist ästhetisch, kann auch sozial umweltbewusst sein. Der Steinhaufen, die 7000 Bäume stehen symbolisch für die Möglichkeit, durch kollektives Handeln Zukunft zu gestalten.

Ergebnisse unserer Arbeit präsentieren wir an der Gelben Wand: Wie kann die Soziale Skulptur mit Hilfe von Comics kreativ im Kunstunterricht erarbeitet werden?
Mit Comics komplexe Ideen visualisieren
SchülerInnen setzen sich mit der Idee der Sozialen Plastik auseinander, indem sie eigene Comics zeichnen. Unter der Anleitung des Künstlers Vincent Will und der Illustratorin Clara Chowanietz setzten sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit den Besonderheiten des Comics als Kunstform auseinander. Sie lernten, wie durch Panel-Aufbau, Sprechblasen und Soundwords eine Geschichte erzählt werden kann. Die Kinder, meine KollegInnen und ich als Fachlehrer für Kunst haben uns intensiv mit der Technik des Comiczeichnens auseinandergesetzt und Comics bewusst in den Unterricht integriert.
Mit Comics die Aktion „7000 Eichen“ begreifen: Comic als Methode der Bildanalyse im Kunstunterricht

Die SChülerInnen wissen, wie Panels, Charaktere, Sprechblasen und Typografie genutzt werden, um Geschichten visuell zu erzählen. Zudem haben sie verschiedene Comic-Formate wie Concept Cartoons, Comic Books und Manga Strips erkundet.
Die Auseinandersetzung mit der „Aktion 7000 Eichen“ und der Sozialen Plastik im Kunstunterricht erfordert die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven und Wissensbereiche miteinander zu verknüpfen – ohne dass diese in einer starren, linearen Struktur angeordnet sein müssen. Comics bieten dabei eine besondere Möglichkeit, komplexe Inhalte vielschichtig und dennoch kindgerecht darzustellen. Gerade durch die Kombination von Bild und Text sowie die nicht-lineare Erzählweise können Comics dazu beitragen, künstlerische, gesellschaftliche und ökologische Zusammenhänge auf eine anschauliche Weise darzustellen und zu vermitteln. Kinder zeichnen für Kinder: Würde ein/e ErstklässlerIn dein Comic verstehen? Vielleicht ein/e ZweitklässerIn?
KLASSENSTUFEN
3 – 4 Klasse Grundschule, übertragbar auf andere Klassenstufen
ZEITBEDARF
3 bis 7 Stunden
LEHRPLANBEZUG
- Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Konzept-Kunst
- Wahrnehmung und Diskussion über Kunst im öffentlichen Raum: Miteinander/ Die Soziale Plastik
- Comics als künstlerisches Ausdrucksmittel kennenlernen und anwenden
Unterrichtseinheit in 4 Phasen:
Die „Aktion 7000 Eichen“ als Comic:
Die Schüler:innen setzen sich kreativ mit dem Kunstwerk „7000 Eichen“ von Joseph Beuys auseinander, erfassen die Idee der Sozialen Plastik, betrachten unterschiedliche Perspektiven (Befürworter:innen und Kritiker:innen) und visualisieren diese in einem Comic.
Phase 1: Annäherung an die Idee der „Aktion 7000 Eichen“
Bildbetrachtung Foto „Aktion 7000 Eichen“. Die Schüler:innen verstehen die Grundidee der Sozialen Plastik und entwickeln ein erstes Verständnis für die gesellschaftliche Bedeutung des Miteinanders im Kunstwerk.
- Was sehen wir? Was sehen wir nicht?
- Welche Fragen wirft das Kunstwerk auf?
- Joseph Beuys’ Konzept der Sozialen Plastik: Kunst im gesellschaftlichen Gestaltungsprozess.
- Die Verbindung von Kunst, Natur und öffentlichem Raum am Beispiel der „Aktion 7000 Eichen“.
Phase 2: Ideenfindung
Die Schüler:innen sammeln im Plenum und in der Schreibkonferenz Pro- und Kontra-Argumente zur Aktion 7000 Eichen, in Kleingruppen erarbeiten die Schüler:innen Argumente aus der Sicht von Befürworter:innen und Kritiker:innen.
Phase 3: Ideenweiterentwicklung und Skizzen
Schüler:innen skizzieren und entwickeln Comic-Figuren. Jede Gruppe oder in Einzelarbeit werden zwei Charaktere entworfen:
1. Eine Figur, die die „Aktion 7000 Eichen“ genial finde.
2. Eine Figur, die das Projekt kritisch sieht oder nicht versteht.
Sind die Figuren ausgearbeitet, werden die Comics mit der Texten aus Phase 2 verknüpft.
Phase 4: Die Reinzeichnung
Die Schüler:innen setzen ihre Comic-Idee künstlerisch um und präsentieren ihre Ergebnisse.
Durch die Kombination von Bildbetrachtung, Perspektivwechsel und Comic-Gestaltung erleben die Schüler:innen Beuys’ Konzept der Sozialen Plastik auf kreative und reflektierte Weise.
Methodische Hinweise
- Trennung der Phasen: Jede der vier Phasen (1. Annäherung an die Idee der “Aktion 7000 Eichen”, 2. Ideenfindung, 3. Ideenweiterentwicklung und Skizzen, 4. Reinzeichnung) wird klar voneinander getrennt, um den kreativen Prozess zu unterstützen.
- Differenzierung: Unterstützungsbedürftigere Schüler:innen und Anfänger:innen konzentrieren sich auf die Gestaltung von Schlüsselszenen. Fortgeschrittene Schüler:innen entwickeln komplexe Handlungsstränge, indem sie die Perspektiven der Befürworter:innen und Kritiker:innen miteinander in Beziehung setzen.
- Kooperative Gruppenarbeit oder Einzelarbeit möglich
- Das Schlüsselbild „Aktion 7000 Eichen“ wird zu einem Instrument der demokratischen Bildung, das gemeinschaftliches Handeln in der Kunst erfahrbar machen kann.
Ergebnis
Die Schüler:innen erarbeiten durch ihre Comic-Geschichten ein Verständnis für Beuys’ Konzept der Sozialen Plastik.
Das Medium Comic bietet die Möglichkeit, die Idee der Sozialen Skulptur auf kreative Weise zu verarbeiten und verschiedene Sichtweisen zu reflektieren, Zeichen und zu präsentieren.
Fotografische Dokumentation pädagogischer Konzepte: Wolfgang Eschenhagen, Kunstpädagogik (M.A.), Fachlehrer für Werken und Kunst
Fotografisches Selbstverständnis: Alle Bilder sind achtsam und individuell ausgearbeitet, sowohl um Persönlichkeitsrechte achten zu können, als auch einen Raum zum professionellen Austausch zu schaffen, um pädagogische Prozesse beobachten, bedenken und weiterentwickeln zu können. Ich bitte um Rückmeldung bei möglichen Verfehlungen zum Beispiel in Bezug auf individuelle Persönlichkeitsrechte, als auch bei Interesse von Zusammenarbeit.